SIG 37 stapfte entschlossen durch den Busch. Mit der Rechten schwang er eine lange, geschwungene Machete, um das dichte Gestrüpp zu zerteilen. Mit seinem linken, verchromten Arm schlug und riss er das so gelöste Geäst achtlos zur Seite. SIG war ein Cyborg, halb Mensch, halb Maschine.
Er musste die anderen Kandidaten finden. So sehr er auch von seiner eigenen Kampfkraft überzeugt war, er wusste, dass man "Das Spiel" nur im Team überleben konnte. Und er wollte überleben.
Jeder Kandidat betrat das erste Level über ein Portal, das an einer zufälligen Stelle im ersten Sektor des Levels auftauchte. So war bereits von Anfang an Spannung gewährleistet. Schwache Kandidaten überlebten oft nicht einmal die ersten Minuten einer Sendung.
Ein schneller Hieb zur Seite und der Level 1 Crill war zweigeteilt. Ein hässliches, kleines Viech, aber für SIG keine Herausforderung.
Crill war die Bezeichnung für alle organischen Widersacher im Spiel. In der Regel handelte es sich um mutierte oder speziell für die Show gezüchtete Tiere mit großem Aggressionspotential. Die Kreativität der Showmacher kannte da keine Grenzen.
Dies hier war ein kleiner, brauner Nager gewesen. Er kannte die Art aus seiner eigenen Show, dort hatte es sie als Bonus gegeben, um seine Opfer zusätzlich unter Stress zu setzen und ihm ein wenig mehr Abwechslung zu verschaffen.
Seine Show "SIG's Jaw" war eingestellt. In der Sendung hatte er Schwerverbrecher verfolgt und zur Strecke gebracht. SIG 37 war ein Star gewesen, ein Racheengel der Gerechtigkeit. Man hatte ihn gefürchtet, gefeiert und geliebt. Bis zu jener verhängnisvollen Show. Man hatte ihm dieses junge Mädchen namens Emily vorgesetzt, das er erlegen sollte. Sie hatte ihren eigenen Vater ermordet, was ein guter Grund war, sie hinzurichten. Bei Mord kannte das Gesetz keine Gnade. Und damals war SIG 37 das Gesetz gewesen, als Henker in einer publikumswirksamen Fernsehshow. Auch Emily war zu Recht zum Tode verurteilt. Zumindest hatte er das gedacht. Bis zu dem Moment wo er sie gestellt hatte. Sie hatte nichts gesagt, ihn nur mit ihren traurigen Augen und regungsloser Miene angeschaut. Und sie hatte ihn in ihren Kopf blicken lassen.
Was er dort gesehen hatte war unaussprechlich! Dieses Mädchen hatte grausamste durchlebt und sich lediglich gegen ihren schrecklichen Vater zur Wehr gesetzt. Zum ersten Mal hatte er eine Hinrichtung verweigert. Allerdings war es auch das einzige Mal, denn eine solche Befehlsverweigerung war ein Verbrechen der dritten Stufe. Man hatte "SIG's Jaw" umgehend abgesetzt und ihn zur Strafe als Kandidaten für "Das Spiel" nominiert. Für ihn war das nur gerecht, er war ein Mann des Gesetzes und hatte das Urteil sofort angenommen. Zudem würde seine Teilnahme an der beliebtesten Show des Sonnensystems die Quoten nah an die 100% bringen. Sollte er "Das Spiel" überleben, wäre er ein Megastar und komplett rehabilitiert.
Allerdings gab es einen kleinen Wermutstropfen: Die wenigsten überlebten. Er war ein begnadeter Kämpfer, aber um diese Show zu absolvieren, brauchte es weit mehr, als nur Kampfkraft. Die Herausforderungen waren vielschichtig und waren nur von einem funktionierenden und vielseitigen Team zu bewältigen. Daher hoffte er inständig darauf, dass die anderen Kandidaten etwas taugten.
SIG 37 überlegte gerade, was wohl mit der kleinen Emily geschehen war, als er einige Meter vor sich das verräterische Leuchten eines Portals wahrnahm. Ein weiterer Kandidat musste ganz in der Nähe sein.
Dasha beobachtete den Cyborg, der soeben die kleine Lichtung betrat. Er schien keine Angst vor einem Hinterhalt zu haben. In der Vergangenheit war es immer mal vorgekommen, dass Kandidaten ihre Kollegen sofort kalt gemacht hatten - Die Produktionsfirma liebte es, Gruppen zusammenzustellen, die eine gemeinsame Vorgeschichte hatten. Solche Sendungen waren beim Publikum extrem gefragt. Manchmal waren es alte Rivalen, die aufeinander trafen, und nicht selten hatte es bei solchen Gelegenheiten fürchterlich geknallt, im wahrsten Sinne des Wortes.
Den Cyborg da unten kannte allerdings so ziemlich jeder im Sonnensystem, und er brauchte wahrlich keine Angst vor einem Hinterhalt zu haben. Das war SIG 37, der wohl bekannteste und gefürchtetste Vollstrecker des Systems. Dasha hatte seine letzte Folge gesehen. Sie hatte "SIG's Jaw" nur gelegentlich verfolgt, weil sie den Cyborg ob seiner Kaltblütigkeit nie sonderlich gemocht hatte, aber die Folge mit Emily war ein Gassenfeger gewesen. Ein 14-jähriges Mädchen, welches von einem 250 kg schweren Hybrid aus Fleisch und Chrom gejagt wurde, das wollte sich niemand entgehen lassen. Angeblich war die Kleine eine Psi-Hexe. Aber statt eines brutalen Showdowns war die Folge damit geendet, dass der Sig-Boy das Mädchen verschont und ihre Hinrichtung verweigert hatte.
Für die meisten Zuschauer war dies eine bittere Enttäuschung gewesen. Dasha Lovelace hatte zum ersten Mal die menschliche Seite des Cyborgs wahrgenommen.
"Du kannst da runter kommen." dröhnte die tiefe Stimme des Hybriden und riss sie so aus ihren Gedanken. Sie war sich sicher, dass er zu keinem Zeitpunkt zu ihrem Versteck in Baumwipfel herauf geschaut hatte. Aber wer wusste schon, welche technischen Sensoren in dem halb verchromten Schädel verbaut waren. Immerhin war SIG 37 als Jäger und Henker für Kriminelle der Klasse 1 konzipiert. Und bis zu der Geschichte mit Emily war ihm in mehr als vierhundert Folgen von "SIG's Jaw" kein einziger Schwerverbrecher entkommen.
Katzengleich sprang Dasha vom Baum. Die lange, regenbogenfarbene Mähne wehte schillernd hinter ihr her. Elegant landete sie auf allen Vieren, wobei ihre gummiartigen Gelenke den Sturz problemlos abfederten. Unter dem reglosen Blick des Cyborgs richtete sie ihre hochgewachsene, grazile Gestalt zu voller Größe auf und überragte den Hünen schließlich noch um Kopfeslänge.
Der Cyborg musterte die Riesin, deren mokkafarbener Körper nur von einem langen,weinroten Lendenschurz und einem knappen Bustier in gleicher Farbe bedeckt wurde.
"Hat man Dir keine Waffe mitgegeben?" fragte er schließlich und hieb demonstrativ mit seiner Machete einen Ast neben sich entzwei.
"So etwas brauche ich nicht." erwiderte Dasha mit einem überlegenen Lächeln, während sie ihre glänzenden Fingernägel zu langen Krallen heranwachsen ließ.
Sigs ließ sich davon allerdings nicht beeindrucken.
"Das war egoistisch." rügte er sie. "Jemand anderes hätte vielleicht eine weitere Waffe verwenden können. Je mehr Equipment wir haben, desto größer ist unsere Überlebenschance."
Dasha wollte etwas bissiges erwidern, hielt sich jedoch zurück. Er hatte ja recht, soweit hatte sie nicht gedacht. Allerdings wollte sie ihm diesen Triumph nicht zugestehen.
"Wir müssen die Anderen finden." wechselte sie das Thema. Er nickte nur.
Kurze Zeit später trafen sie auf Guardian Angel 3970. Diese besondere Form der KI war eigentlich zum Personenschutz von Menschen der Klasse 1 konzipiert, also Mitgliedern des Hohen Rats, Konzernbesitzer und Psionische Legaten. Wobei letztere wohl kaum auf einen Leibwächter angewiesen waren. Sie besaßen ihre Guardian Angels in der Regel aus Prestigegründen.
Wie alle ihrer Baureihe besaß auch Guardian Angel 3970 einen androgynen, humanoiden Körper aus glänzendem Diaridium, einer nahezu unzerstörbaren Legierung, die im Normalzustand einem Diamanten ähnlich glitzerte, was durch das innere Leuchten der KI nur verstärkt wurde. Ihr Kopf war vollkommen gesichtslos, einfach nur ein Ovaler Körper, auf dem Rumpf aufgesetzt. Guardian Angels verfügten über verschiedenste Fähigkeiten zum Schutz ihrer Besitzer. Je nach Geldbeutel war die Ausstattung mehr oder weniger umfangreich. Jedes Modell konnte aber mindestens schweben und sich seiner Umgebung so farblich anpassen, dass es nahezu unsichtbar wurde.
Gänzlich ohne Tarnmodus hatte dieser Guardian Angel in der Luft gestanden und die beiden anderen Kandidaten mit einer warmen, weibliche Stimme begrüßt. Grundsätzlich waren KIs geschlechtsneutral, es hatte sich aber herausgestellt, dass eine geschlechtliche Zuordnung über die Stimmfarbe die Akzeptanz durch die Menschen deutlich erhöhte.
Dashas Akzeptanz hielt sich indes in Grenzen. Die Anwesenheit der KI konnte im Grunde nur bedeuten, dass diese einen irreparablen Defekt hatte. Kandidaten bei Das Spiel waren üblicherweise Kriminelle der Klassen 1 bis 3. KIs waren aber offiziell nicht zu Verbrechen in der Lage, wenngleich es viele anderslautende Gerüchte gab. Sollte solches Gemunkel aber auf Tatsachen basieren, dann würde dies tunlichst von der Obrigkeit entdeckt und man würde solche Delinquenten sicher nicht wie gewöhnliche Straftäter in Spielshows präsentieren. Defekte Künstliche Intelligenzen wurden wiederum gerne durch die Shows gehetzt, bis sie verschlissen und zerstört waren. Sie gaben den Sendungen eine gewisse Würze, die von den Zuschauern besonders geliebt wurde.
Worin der Defekt von Guardian Angel 3970 lag konnte Dasha nicht gleich ausmachen, aber das beunruhigte sie um so mehr. Das Wesen war in ihren Augen eine ticke Zeitbombe. Als sie dies dem Cyborg gegenüber äußerte, sagte dieser zwar nichts, aber sie glaubte, Zustimmung in dessen menschlichen Auge zu erkennen. Auf der anderen Seite verfügte eine solche Wächter-KI in der Regel über ein ganzes Arsenal nützlicher Funktionen, die beim Überleben des Spiels entscheidend sein konnten.
Plötzlich schrak SIG 37 sichtlich zusammen und verblasste, zumindest in der fleischlichen Gesichtshälfte. Es war, als hätte er einen Geist gesehen! Und tatsächlich war dies auch nah an der Wahrheit, wie Dasha feststellte, als sie seinem Blick folgte. Nicht weit von ihrer aktuellen Position saß Emily auf einem Hügel, das Mädchen, welches er verschont hatte. Neben ihr hockte ein rothaariger, sommersprossiger Mann um die dreißig, mit einer schwarzen, zerschlissenen Schutzjacke und abgewetzten Hosen. Unter der Jacke trug er ein weißes Shirt, auf dem die Grimasse irgendeines Underground-Mutanten prangte. Sein Stil erinnerte stark an einen Drughead, wobei er dafür eigentlich deutlich zu gesund aussah.
Emily trug das kurze, schwarze Kleid, das man schon aus ihrer "SIG's Jaw" Folge kannte. Ihr tiefschwarze Haar fiel glatt auf ihre Schultern, während ein fransiger Pony ihr kindliches Gesicht mit den schwarz umrandeten Augen in Szene setzte.
Als Emily den Cyborg erkannte, sprang sie auf, lief zu ihm und schlang ihre kurzen Arme um seine stämmige Hüfte. Der Krieger überragte sie um mehr als das doppelte. Er legte seine fleischliche Rechte sanft auf den Kopf des Mädchens. Eine einzelne Träne kullerte über Emilys Wange.
"Wie rührend." gab der Rothaarige sarkastisch zu Protokoll. Übertrieben lässig schlenderte er heran und wog dabei eine MP in seiner Linken. "Ich zähle fünf, also sind wir vollständig. Gehen wir?"
"Unser erstes Ziel ist eine Versorgungsstation. Sie ist durch eine rote Flagge gekennzeichnet." sprach SIG 37 zum versammelten Team.
"Ach wirklich?" warf Liam ein. "Ich denke, wir alle haben die Show schon einmal gesehen und wissen, was zu tun ist."
"Ich habe die Sendung nie gesehen." gab Guardian Angel zu Protokoll.
SIG schaute Liam an. Seine Miene blieb ausdruckslos, aber sein Cyborg-Auge fokussierte den Menschen mit leisem Surren. Dasha war sich sicher, dass SIG 37 den anderen Mann innerhalb eines Wimpernschlages hätte töten können. Seine Effizienz hatte er Minuten zuvor gezeigt, als er ein Dutzend angreifender Crills mit der in seinem Chromarm verborgenen Plasmakanone ganz alleine niedergemäht hatte. Um sie herum lagen die leblosen und zerfetzten Körper dieser armen Kreaturen.
Statt sich von Murphy provozieren zu lassen, wandte sich der Cyborg an Guardian Angel:
"Wie hoch kannst Du schweben?"
"Ich schwebe nicht, ich fliege." korrigierte die KI. "Das Limit liegt aufgrund der Bodenbeschaffenheit, der Umgebungstemperatur und meines aktuellen Energielevels derzeit bei exakt 12,4379 Metern."
"Sollte reichen." warf Dasha ein, die verstanden hatte, worauf der Cyborg hinaus wollte. "Dann tu uns allen bitte den Gefallen, schwebe so hoch Du kannst, und wenn Du über den Baumwipfeln bist, halte doch mal Ausschau nach der roten Flagge."
"Sehr gerne." klang die melodiöse Stimme der KI. Umgehend hob sie ab und bewegte sich senkrecht in die Luft.
Kaum war Guardian Angel durch das dichte Blätterdach über ihnen gebrochen und außer Sichtweite, ließ ein brachiales Krachen die Gruppe zusammenfahren. Ein riesiger Schatten flog über sie hinweg und begrub SIG 37 unter sich. Ein riesiger Grizzly-Crill hatte den Cyborg zu Boden gerissen!
Instinktiv sprang Dasha zu Emily, die wie angewurzelt da stand. Grizzlys waren der gleichnamigen, längst ausgestorbenen Bären-Art von der Erde nachempfunden, nur dass die Crill-Version noch größer, blutrünstiger und stärker gezüchtet wurde. Zudem spickte die Produktionsgesellschaft die Viecher in der Regel mit Cybertechnologie.
Dasha wollte Emily schon in Deckung reißen, als sie den finsteren Blick der Kleinen wahrnahm und zurückschreckt - gerade noch rechtzeitig um dem telekinetischen Stoß zu entgehen! Es gab kein Geräusch, lediglich das verräterische Flirren der Luft zeugte von der mentalen Gewalt, sie von Emilys Stirn aus losbrach. Sekundenbruchteile später fegte es das gewaltige Monster vom Cyborg, als sei der Grizzly eine Papiertüte im Wind. Das Tier jaulte auf, als es gegen den nächsten Baumstamm geschleudert wurde.
Dasha war beeindruckt. Sie hatte gewusst, dass Emily eine Psionikerin war, aber eine solche Kraft hatte sie noch nie live miterlebt. In dem Mädchen steckte eindeutig mehr, als ihr unscheinbares Äußeres erahnen ließ.
Aber noch war der Kampf nicht vorbei! Der Cyborg kam soeben auf die Bein, aber auch der Bären-Crill stand bereits wieder und richtete sich zu voller Größe auf. Sein Schädel und seine Schultern drückten gegen die Krone des Baumes, der seinen unfreiwilligen Flug jäh gestoppt hatte. Doch noch bevor er wieder zum Angriff übergehen konnte, fing der Grizzly sich eine Salve Plasmageschosse ein. SIG 37 hatte sein kybernetisches Handgelenk umgeklappt und so die tödliche Waffe freigelegt, mit der er nun die Brust des Bären beharkte. Dieser jaulte erneut vor Schmerz auf, duckte sich dann aber und sprang wieder auf den Cyborg zu. Der Beschuss hatte ihn lediglich noch wütender gemacht!
Kurz fragte sich Dasha, was dieser Liam eigentlich trieb, da ertönte schon das Knattern von dessen MP hinter ihr. Als sie in Richtung des Geschützfeuers blickte, sah sie, dass der Rothaarige ein Rudel kleiner Beißer-Crills mit seiner automatischen Waffe beharkte. Mit den Nagern war zu rechnen gewesen, denn eine der ungeschriebenen Spielregeln der Show besagte: "Ein Großer kommt selten allein!"
"Wenigstens macht er sich nützlich." sagte Dasha leise zu sich selbst. "Dann wollen wir mal!"
Dasha ging in die Hocke, spannte kurz ihre Muskeln an und schoss dann nach vorne, wobei die gummiartige Konsistenz ihres Körpers die Sprungkraft um ein Vielfaches verstärkte. Innerhalb eines Wimpernschlags überbrückte sie die Entfernung zum Bären. Während des Fluges fuhr sie ihre Krallen aus, die sie dem Ungetüm mit aller Kraft in die Kehle rammte und ihm so den Kopf vom Körper riss. Der Schwung stieß den wuchtigen Körper zu Boden. Dasha machte eine Rolle vorwärts und landete schließlich elegant auf allen Vieren.
Für einen Moment schien der gesamte Dschungel den Atem anzuhalten. Dann ertönte noch einmal Liam Murphys Waffe, mit der er einem letzten, hartnäckigen Crill den Garaus machte.
Der Angriff war abgewehrt. SIG 37 nickte ihr unmerklich zu. Sie deutete das als Lob.
"Habt ihr gesehen, wie ich diese Scheißer platt gemacht habe?" warf Murphy ein. "Netter Sprung übrigens."
"Danke. Wo ist eigentlich Guardian Angel?"
Die anderen folgten ihrem Blick zum Blätterdach. Just in diesem Moment senkte sich die KI herab.
"Das nächste Versorgungslager liegt 1,434 Kilometer 63 Grad Nordost." Ließ sie mit ihrer warmen Stimme verlauten.
"Wo warst Du, verdammt nochmal? Wir haben uns hier die Seele aus den Leib gekämpft!" blaffte Liam die Künstliche Intelligenz an.
"Ich habe meinen Auftrag ausgeführt."
"Du hast... Bitte was?" Fuhr der Mensch die Maschine an. " Wir hätten hier unten sterben können!"
"Es reicht." Unterbrach SIG 37 die Diskussion. Der Cyborg hatte längst begonnen, essbare Teile aus dem Fleisch des toten Grizzly zu schneiden. Sein Hybridkörper aus Fleisch und Technik hatte einen unglaublichen Energiebedarf. Diesen konnte er stillen, indem er sich entweder über eine entsprechende Zeit an eine passende Ladestation anschloss, oder aber große Mengen an Nahrung zu sich nahm. Da erstere in dieser Show sehr rar sein dürften, war er darauf bedacht, immer entsprechende Hände Vorräte mit sich zu führen. Tatsächlich war sein Energieverlust durch den Kampf bereits so stark gewesen, dass er hungrig in das noch warme, blutige Stück Fleisch in seiner Hand biss. Die irritierten Blicke seiner Mitstreiter ignorierend gab er schließlich den Marschbefehl.
Der Marsch bis zur Versorgungsstation verlief ohne größere Zwischenfälle, wenn man von zwei ungeschickten Drohnenangriffen absah. Ein Clou bei "Das Spiel" war, dass Zuschauer in gewissem Maße auch selbst ins Geschehen eingreifen konnten, unter anderem mit von ihnen gesteuerten Kampfdrohnen. Erfahrene Zuschauer schlossen sich in so genannten Clans zusammen und setzten den Spielern mit taktisch gut koordinierten Attacken zu. Das geschah aber meist erst in höheren Leveln. Die heutigen Angriffe waren eindeutig von Anfängern initiiert worden und stellten keine Herausforderung für das Team dar.
Die Station bot ihnen einen geschützten Raum zum Ausruhen, in dem keine Attacken zu befürchten waren. Außerdem fanden sie Nahrungsmittel, Munition für Murphys MP, ein Set Wurfdolche in einem Gurt, welchen Dasha anlegte und ein Medpack, mit dem sie ihre Wunden versorgen konnten.
SIG, der beim Kampf gegen den Grizzly die schwersten Wunden davongetragen hatte, war allerdings längst vollständig verheilt, was Emily Dasha gegenüber leise feststellte.
"Cyborgs haben Nanobots im Blut, die jede Verwundung in kürzester Zeit heilen." erklärte diese dem Mädchen. "Ohne könnten sie gar nicht existieren. Die Cyborgtechnologie wird vom Körper als Fremdkörper wahrgenommen und permanent abgestoßen. Das reißt ständig winzige Wunden ins Fleisch, dort wo dieses mit Chrom und Technik verwoben ist, was den Körper ständig unter Stress setzt. Die Nanobots versorgen diese Wunden, und daneben halt auch jede andere Verletzung, die den Hybriden nicht umgebracht hat."
Emily nickte.
"Du bist Mutantin, richtig? Warum bist Du hier?"
Dasha schaute Emily überrascht an, ob der unerwarteten Direktheit, welche das introvertierte Kind plötzlich an den Tag legte.
"Man hat mich der Prostitution für schuldig erklärt." verriet sie schließlich.
Emily nahm diese Aussage einfach zur Kenntnis und blickte dann grimmig zu Liam Murphy, der in einigen Metern Entfernung auf einem Bauernhof saß und seine Waffe reinigte.
"Ich traue ihm nicht." flüsterte sie.
"Warum?"
"Er ist nicht, was er vorzugeben scheint."
"Wie meinst Du Das?"
"Er ist gekleidet wie ein Drughead, kämpft aber wie ein Soldat." bestätigte Emily den Eindruck, den auch Dasha insgeheim schon von dem Mann gewonnen hatte.
"Außerdem sind seine Gedanken und Gefühle komplett abgeschirmt. So etwas kenne ich von Militärs, Agenten und anderen Psionikern. Junkies sind normalerweise ein offenes Buch für mich."
Schlagartig wurde Dasha daran erinnert, dass Emily auch über telepathische Kräfte verfügte. Sie wollte etwas erwidern, doch die Kleine schaute sie mit großen Augen an.
"Keine Angst, deine Gedanken sind sicher, solange du sie mir nicht freiwillig öffnest. Ohne Einverständnis kann bei gesunden Menschen ich nur oberflächliche Emotionen und Informationen erfassen, und selbst das vermeide ich nach Möglichkeit."
"Danke, dass Du so offen und ehrlich zu mir bist." sagte Dasha sanft.
"Dir traue ich."
Unweigerlich musste die Mutantin lächeln. Aus dem Mund dieses schüchternen Mädchens war das mehr als nur ein tiefes Kompliment.
"Du kannst kämpfen."
Liam schrak zusammen, als die Tiefe Stimme des Cyborgs direkt hinter ihm erklang.
"Äh... ja. Ich hab früher mal Militärdienst geleistet." gab er zu Protokoll. Sich SIG 37 zuzuwenden erwies sich als keine gute Idee. Der über ihm aufragende Krieger wirkte aus seiner sitzenden Position um so bedrohlicher. Langsam erhob er sich, nur um noch immer vom Cyborg überragt zu werden.
"Warum bist Du ausgeschieden?"
"Äh, was? Was geht Dich das an?" blaffte Liam.
"Du bist Teil meines Teams. Ich muss wissen, ob Du kampftauglich bist. Nimmst Du Drogen?"
"Nein!" keifte Liam. Er machte einen Schritt zurück und lief rot an. Kurz sah es aus, als wolle er auf den Cyborg losgehen, doch dieser blieb einfach ruhig und schaute weiter auf den jungen Mann herab. Für einen schier endlos scheinenden Moment standen sie sich so gegenüber, doch dann senkte Liam den Blick.
"Nein, nicht mehr. Aber das war der Grund, warum man mich aus dem Dienst entlassen und in diese verdankte Show gesteckt hat." gab er endlich zu.
"Du musst auch gedealt haben, um als Klasse 3 Verbrecher eingestuft zu werden.. Reine Drugheads kommen in eine Containershow." stellte SIG nüchtern fest. "Reiß Dich zusammen und mach Dich nützlich. Dann wirst Du diese Show vielleicht sogar überleben." Damit drehte er sich um und begab sich in die Ruhezone der Versorgungsstation.
Liam Murphy schüttelte sich. War das nun eine Drohung oder ein Versprechen gewesen? Er würde es noch früh genug erfahren, dessen war er sich bewusst.
Nach einer Phase der Rast und Ruhe fanden sie sich wieder zusammen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Wieder ergriff SIG 37 als erster das Wort.
"Ich gehe davon aus, dass ihr alle regeneriert seid und euch mit Munition versorgt habt. Der erste Abschnitt dieses Levels war lediglich ein Warm Up. Ab jetzt wird es immer schwieriger.
"Quatsch nicht soviel wir alle kennen die Sendung!" grätschte Liam dazwischen.
SIGs menschliches Auge funkelte einen Moment lang gefährlich, aber er ließ sich nicht beirren.
"Guardian Angel hat für uns die weitere Route soweit möglich ausgekundschaftet. Wir müssen uns von hier aus Richtung Osten halten. Nach etwa drei Meilen kommen wir dann an einen Abhang, den wir hinab steigen müssen. In der anschließenden Senke befindet sich die nächste Versorgungsstation. Noch Fragen?"
"Wie sieht es mit potentiellen Gefahren aus?" warf Dasha ein. "Ich traue dem Braten nicht. Bisher war das alles viel zu leicht!"
"Die Lady braucht es wohl härter?" feixte Liam. Dasha ignorierte die Spitze.
"Miss Lovelace hat recht. Bisher war es ruhig. Zu ruhig." sprach SIG 37. "Natürlich ist dies erst das erste Level, aber wie bei jeder Ausgabe von Das Spiel ist das Ziel, uns alle am Ende tot zu sehen. Und die Produktionsfirma weiß sehr genau, dass es mehr als einen Grizzly und ein paar Drohnen braucht, um mich zur Strecke zu bringen."
Das mochte arrogant klingen, aber alle Anwesenden wussten, dass dieser Einwand berechtigt war. Der Cyborg galt als einer der besten Kämpfer des Sonnensystems. Er war der Star, den es zu knacken galt, um das Team zu eliminieren. Und letztlich war Das Spiel genau dazu da: Um Delinquenten medienwirksam hinzurichten. Dadurch wurden andere Bürger abgeschreckt, potentielle Straftaten zu begehen. Zugleich konnte man durch diese Form der Unterhaltung die Massen auch von den Problemen ablenken, die in der scheinbar so perfekten Gesellschaft in Wirklichkeit vorherrschten.
Offiziell lebten die Menschen in einer Art Utopia. Kriege hatte es schon lange nicht mehr gegeben. Zwar gab es immer wieder Aufstände gegen die herrschende Klasse, aber diese wurden mit aller Brutalität nieder gemacht und in den Medien tot geschwiegen. Wenn Rebellen es schafften, eigenes Bild- und Tonmaterial ins Netz zu stellen, bearbeiteten staatliche Agenten es umgehend so, dass jeder unbedarfte User es für eine fiktive Show halten musste. So wurde aus dem erbitterten Freiheitskampf einiger verzweifelter Kolonisten Unterhaltung für die breite Masse.
Warum man in einer Utopie rebellieren musste, fragen Sie? Wichtig ist das Wort scheinbar. Denn trotz allen technischen Fortschritts hing die Menschheit im Sonnensystem fest und die Ressourcen wurden langsam knapp. Die Erde war seit dem dritten Weltkrieg nur noch eine leere Hülse, auf der Leben nur noch unter schwierigen Bedingungen möglich war. Zwar hatten die wenigen Überlebenden sich anschließend auf Werte wie Frieden und Brüderlichkeit besonnen und das Neue Zeitalter war angebrochen, aber die Physik setzte jedem Fortschritt Grenzen. Interstellare Reisen waren noch immer nicht realisierbar, und der Raubbau an den wenigen Planeten und Monden, die man irgendwie hatte bewohnbar machen können, schritt unaufhaltsam voran. Die Kolonisten der unteren Klassen wurden ausgebeutet und sorgten mit Knochenarbeit dafür, dass die Eliten nicht auf ihren Luxus verzichten mussten.
Um das Volk ruhig zu halten, wurde vor allem das Netz genutzt. Das Netz war eine Art Mischung aus dessen, was man auf der Erde früher als Fernsehen und Internet bezeichnete. Man konnte es entweder auf altmodischen Monitoren betrachten, oder aber sich mit Ganzkörperanzügen samt Virtual Reality Helmen so einklinken, dass man glaubte, sich selbst durch Das Netz zu bewegen.
Die Produktionsfirma produzierte unablässig Shows fürs Netz. Manche waren reine Unterhaltung, in der zum Beispiel Bürger verkuppelt wurden oder diese Luxusartikel gewinnen konnten. Andere dienten der staatlichen Propaganda oder sorgten tatsächlich für ein gewisses Bildungsniveau, indem sie historische Überlieferungen von der Erde aus der Vorkriegszeit aufarbeiteten. Am beliebtesten waren jedoch all jene Shows, in denen Verbrecher und Abweichler je nach Vergehen bestraft wurden, was nahezu immer zum Tod führte, wenngleich im Falle eines Überlebens vollständige Rehabilitation versprochen wurde. Die wenigen, denen das bisher gelungen war, galten als lebende Legenden. Bei Das Spiel war dies allerdings noch nie gelungen. Es war die härteste und mit Abstand auch auch beliebteste Show im Netz. Letzteres allerdings erst, seit SIG's Jaw abgesetzt und dessen Hauptdarsteller für die neueste Folge von Das Spiel zwangsverpflichtet worden war.
Die nächsten Stunden vergingen fast ereignislos. Sie schlugen sich durch das Gebüsch und wurden nur selten von Crills, Drohnen oder simplen Fallen behelligt. Das Spiel war so aufgebaut, dass aktive Zuschauer, sogenannte User, die Kandidaten mit Gefahren und Gegnern konfrontieren konnten, welche sie von zuhause aus selbst steuerten. Dabei ließen sich die User grob in drei Gruppen unterteilen: Noobs, Lone Ranger und organisierte Clans. Von den Noobs ging kaum Gefahr aus. Hierbei handelte es sich um Hobbyspieler, die sich nur gelegentlich einklinkten und das Spiel kaum beherrschten. Oft handelte es sich um Arbeiter und einfache Leute, die Frust abbauen oder ein wenig Spaß haben wollten. Sie scheiterten nicht selten bereits bei der Steuerung oder verloren die Orientierung, geschweige denn, dass ihnen eine ernsthafte Attacke gelingen würde. Wenngleich es natürlich in der Vergangenheit vereinzelt auch vorgekommen war, dass Noobs Kandidaten verwundet oder gar eliminiert hatten. Ob nun durch Glück oder Talent, das ließ sich in der Regel nur erahnen. Ein anderes Kaliber waren die Lone Ranger. Hierbei handelte es sich um erfahrenere Spieler, die regelmäßig teilnahmen und das Spiel beherrschten. Viele von ihnen waren spezialisiert auf einen bestimmten Drohnentyp oder bestimmte Fallen und Hindernisse. Sie waren meist gerissen und agierten strategisch klug. So mancher Kandidat hatte bereits sein Leben dafür geben müssen, um auf der Abschussliste eines Lone Rangers zu stehen. Und dann waren da noch die Clans. Hierbei handelte es sich um organisierte Zusammenschlüsse von Profispielern, die gemeinsam auf die Jagd gingen. Tatsächlich konnte man nämlich als User Geld mit dem Spiel verdienen. Jede Verwundung und vor allem jeder Abschuss versprach einen ordentlichen Batzen Credits. Da man aber auf der anderen Seite eine beachtliche Gebühr für die Teilnahme zahlen musste, gelang es den wenigsten, in Gewinnregionen zu kommen. Am ehesten schafften dies noch die Clanmitglieder, die ihre Chancen durch die Kooperation um ein vielfaches erhöhten und so manchmal sogar in der Lage zu einem Wipe out, also der totalen Elimination eines Kandidatenteams, in der Lage waren. Die erfolgreichsten Clans wurden im ganzen Sonnensystem als Stars gefeiert und waren mit hoch dotierten Sponsorenverträgen ausgestattet.
Bisher hatten sie es nur mit freien Crills und einzelnen Noobs zu tun gehabt. Hier und da ein Drohnenangriff, der leicht abgewehrt werden konnte, immer mal ein paar verirrte Kreaturen, die meist sogar recht nahrhaft waren. Dennoch war es für ein erstes Level insgesamt zu ruhig.
"Was meinst Du, haben sie vor?" fragte Dasha SIG.
"Ich denke, die Produktionsfirma hält die Leute zurück. Die planen irgendwas großes." antwortete der Cyborg. Monoton hackte er auf einen Busch ein, der auf den schmalen Pfad ragte, den sie gerade für ihr weiterkommen gewählt hatten.
Langsam lichtete sich das Buschwerk um sie herum. In der Ferne konnte man die Talsenke bereits erahnen.
"Warum sollten sie das tun?" fragte Dasha nachdenklich. "Üblicherweise fördern sie die wilden Attacken. Damit verdienen sie ihr Geld!"
"Sie wissen, dass sie gegen den Großen auf diese Weise keine Chance haben." klinkte sich Liam ein, der hinter ihr lief. Er deutete auf SIG 37. "Außerdem soll es eine ganz besondere Sendung werden. Wenn sie schon den legendären Sig-Boy verheizen müssen, dann soll es wenigstens ein Highlight werden, an das man sich noch lange erinnert."
Was der Rotschopf von sich gab, machte Sinn. Es hatte schon viele Highlight-Folgen gegeben, aber SIG 37 war ein Superstar und in seiner eigenen Sendung seit vielen Jahren unbesiegt. Er hatte die schlimmsten Schwerverbrecher in "SIG's Jaw" gnadenlos vernichtet und ganze Banden von Delinquenten im Alleingang zerlegt, oft, ohne selbst eine einzige Schramme abzubekommen.
Einmal mehr fragte sich Dasha, warum er die kleine Emily in seiner letzten Folge verschont hatte. Der Cyborg galt als eiskalte Killermaschine. Was mochte ihn dazu bewogen haben, Gnade zu zeigen und somit sogar Hochverrat zu begehen?
Schließlich lichtete sich der Wald immer mehr, bis sie an den Abhang gerieten, der sich von einem Ende des Levelhorizonts zum anderen erstreckte.
Auch wenn viele Level in Das Spiel eine offene Welt vorgaukelten, waren die Wege in Wahrheit doch immer recht streng vorgegeben. Nur so war eine stringente Produktion möglich. Und anders hätte man die Kandidaten auch gar nicht mit all den gezielten Herausforderungen und Gefahren konfrontieren können.
"Das ist ganz schön steil..." murmelte Emily. Sie hatte sich vorsichtig über die Kante gebeugt.
"Wir müssen eine geeignete Stelle für den Abstieg finden." stellte SIG 37 fest. "Seid wachsam. Das ist die perfekte Stelle für einen Hinterhalt!"
"Kann unser Glitzerengel hier nicht einfach jeden von uns nach unten tragen?" fragte Liam und deutete auf Guardian Angel, die bereits über die Kante des Abhangs hinaus geschwebt war.
"Meine durchschnittliche Traglast im Flugmodus beträgt exakt 50,34 Kilogramm." säuselte die warme Stimme der KI.
"Das reicht zumindest für Emily. Und den Vorratsrucksack. Gute Idee, Mister Murphy." sprach SIG.
Dasha ließ den Blick in die Ferne schweifen. Das Tal vor ihnen lag unter einer dichten Dunstglocke begraben. Diese war mit Sicherheit künstlich von der Produktionsfirma erzeugt worden, um all die Gefahren und Gegebenheiten zu verbergen, die noch vor ihnen lagen.
"Da hinten sind ein paar Felsvorsprünge. Dort sollte ein Abstieg machbar sein". sagte sie schließlich. "Ich werde als erstes runter gehen."
"Gut, so machen wir es." bestätigte SIG 37. "Wir klettern einzeln. Die anderen geben Rückendeckung."
Für Dasha Lovelace war der Abstieg ein Kinderspiel. Durch ihre Mutation verfügte sie über katzenhafte Reflexe und eine unglaubliche Sprungkraft. Von ihren ausfahrbaren Nägeln ganz zu schweigen.
Grazil kletterte sie die Wand entlang, sprang von Vorsprung zu Vorsprung und fühlte sich zum ersten Mal seit langem wieder richtig frei! Der Windzug an ihrem Gesicht, wenn sie so durch die Luft glitt, wirkte belebend. Ihre Sinne entfalteten sich, sie schien zu fliegen, schloss die Augen... Und riss sie im letzten Moment wieder auf, als sie ein leises Zischen wahrnahm. Gerade noch konnte sie sich wegdrehen, als der Raubvogel-Crill nach ihrer Kehle schnappte. Sie kam ins straucheln und hätte beinahe die Plattform verfehlt, zu der sie gerade gesprungen war. Gerade noch konnte sie sich an dessen Kante festkrallen, um nicht abzurutschen und in die Tiefe zu stürzen. Elegant schwang sie sich auf die Beine, gerade noch rechtzeitig, um den Crill in Empfang zu nehmen, der einen Bogen geflogen war, um sich erneut auf sie zu stürzen. Den Schnabel weit aufgerissen, kam der Vogel auf sie zu und wollte ihre Kehle zerfetzen. Konzentriert wartete Dasha den richtigen Moment ab, um blitzschnell ihre Krallen auszufahren und das Ungetüm in der Luft zu zerreißen. Der noch zuckende Körper des Vogels fiel in die Tiefe.
'Verdammt, das war knapp!' dachte sie. 'Ich sollte mich besser konzentrieren.'
"Alles in Ordnung da unten?" rief SIG 37. Dasha war längst in die Dunstdecke eingetaucht und für die anderen kaum noch zu sehen.
"Alles bestens." gab sie zurück. "Nur ein verirrter Vogel, dem ich den Weg zeigen musste."
Sie atmete tief ein und konzentrierte sich wieder ganz auf den restlichen Abstieg.
Unten angekommen nahm sie erst einmal die Umgebung in Augenschein. Die Landschaft hier war karg, eher sandig und durchsetzt von Felsbrocken und dornigen Sträuchern. Nicht besonders einladend, aber zumindest konnte sich hier kein Gegner unbemerkt nähern.
"Sicher gelandet!" rief sie nach oben. In einigen Metern Entfernung lag der zerschmetterte Crill, der sie beinahe das Leben gekostet hat.
"Schade, der taugt wohl nicht mehr zum Essen." murmelte sie.
Als nächstes kam Liam Murphy die Wand hinab geklettert. Er brauchte natürlich deutlich länger als Dasha, da er nicht über ihre Fähigkeiten verfügte und somit klassisch klettern musste. Verwundert beobachtete die Mutantin, wie elegant sich der Rothaarige dabei anstellte. Von einem Drughead hätte sie nicht erwartet, dass er mit einer solchen Präzision den nahezu ungesicherten Abstieg an einem Steilhang schaffte.
"Das war verdammt gut!" Sie nickte ihm anerkennend zu.
"Hab als Kind viel geklettert." murmelte er, während er seine MP von der Schulter nahm und die Umgebung nach Gefahren absuchte.
"Was ist geschehen?“
"Das da." erwiderte sie und deutete auf den matschigen Haufen, der einst so etwas wie ein Raubvogel gewesen war.
"Wo bist Du denn aufgewachsen?" fragte sie.
"Was geht Dich das an?" fauchte er sie an.
"Ich wollte nur..."
"Schon gut." sagte er in wesentlich ruhigerem Tonfall."Es tut mir leid, ich rede nicht gerne über meine Vergangenheit. Ich habe meine Kindheit im Irisch-Walisischen County auf dem Mars verbracht."
Dasha kannte die Gegend. Das IWC war im 22. Jahrhundert gegründet und besiedelt worden, als das Schmelzen der Erd-Polkappen den Meeresspiegel derart in die Höhe getrieben hatte, dass nahezu die kompletten britischen Inseln untergingen. Diese Katastrophe hatte seinerzeit die Besiedlung des Sonnensystems maßgeblich voran getrieben. Zwar hatte man im Laufe der Jahrhunderte die Erde wieder bedingt bewohnbar gemacht, aber bis heute war das IWC das größte Reservat gaelischer Abkömmlinge im gesamten System. Als ausgewiesenes Kletterparadies galt die, größtenteils aus flachen Agrarkulturen bestehende, Marskolonie allerdings nicht. Sie beschloss, das zunächst nicht weiter zu thematisieren.
"Hab Du bitte ein Auge darauf, ob weitere Vögel kommen." wechselte sie das Thema. "Ich sichere den Boden."
Liam nickte nur und richtete dann seinen Blick samt Lauf seiner Waffe gen Himmel. Dasha wurde noch nicht so recht schlau aus ihm. Auf der deinen Seite gab er sich oft launisch, gar bockig. Aber wenn es um konkrete Gefahren ging, legte er eine derart militärische Disziplin an den Tag, wie man sie von einem unehrenhaft entlassenen Ex-Soldaten nicht vermuten würde. Sie würde ihn weiter im Auge behalten.
"Halt Dich gut fest."
SIG 37 schaute sorgenvoll auf Emily herab, die soeben den Rücken von Angel erklomm. Sie hatten sich dagegen entschieden, das Mädchen an der KI festzubinden, da dies beide im Falle eines Angriffs erheblich in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt hätte.
"Ich kann schon auf mich aufpassen!" Die Worte mochten trotzig klingen, aber ihm gegenüber konnte Emily ihre Zuneigung nicht verbergen. Das Mädchen und der Cyborg hatten eine Verbindung, die möglicherweise durch ihre Psikräfte kanalisiert worden war, ingesamt aber weit tiefer ging.
"Ich weiß." sagte er mit einem milden Lächeln. Und an Guardian Angel gewandt: "Halte ich dicht an der Wand und nutze die Vorsprünge."
"Jawohl Sir." säuselte diese. Mit Emily auf dem Rücken erhob sie sich vom Boden und schwebte über die Kante, den Abhang hinab.
Angespannt beobachtete SIG 37 den Abstieg. Seine Rechte umklammerte die Machete, während er das Plasmagewehr an seinem linken Handgelenk bereits kampfbereit freigelegt hatte. Er wusste, das ein Angriff unmittelbar bevor stand. Als Guardian Angel mit Emily gerade in der Dunstdecke verschwand, war es soweit.
Zuerst nahm er das verräterische Surren der Drohnen hinter sich wahr. Dem Geräuschpegel nach mochten es ein gutes Dutzend sein. Noch während er herumwirbelte, um den Angriff abzufangen, hörte er das Kreischen der Crills! Ein ganzer Schwarm riesiger Raubvögel brauch aus der Dunstglocke hervor, die über dem Abgrund lag. Einige kamen in seine Richtung geflogen, während andere sich auf Guardian Angel und Emily stürzten! Und noch während er die erste angreifende Drohne mit einer Plasmasalve zerlegte, hörte er aus der Tiefe Gebrüll und das Feuer von Murphys Maschinenpistole.
"Das wird ein verdammt heißer Tanz." presste er grimmig hervor.
Plötzlich vibrierte der Boden. Dasha ging unwillkürlich in die Hocke um sprungbereit zu sein, sobald der Angriff erfolgte.
"Gib acht!" wies Liam Murphy sie überflüssigerweise an.
Dann wurden die Erschütterungen stärker, bis wenige Meter vor ihnen der Boden aufbrach. Zwei lange, metallene Tentakel schossen daraus hervor. Eines dieser sich windenden, mannsdicken Glieder endete in einer Energieklinge, die sofort nach Liam hieb, der sich gerade noch zur Seite rollen konnte. Am anderen Tentakel war eine Art Greifhand angebracht, die sich an einem naheliegenden Felsbrocken festklammerte, um den Körper des riesigen Blechkolosses nachzuziehen, der aus dem Untergrund hervorbrach und zu dem die Tentakel gehörten. Das Ungetüm hatte einen runden Körper mit etwa fünf Metern Durchmesser und verfügte über sechs Beine. Vorne zwischen den Tentakeln war zudem eine großkalibrige Geschützöffnung zu erkennen, die schlimmes erahnen ließ.
"Ein Overlord!" hauchte Dasha entsetzt, während Liam das Feuer auf das Monstrum eröffnete. Seine Kugeln prallten jedoch wirkungslos von dessen Außenhülle ab!
So ruhig, ja nahezu lethargisch, Guardian Angel 3970 bisher gewirkt hatte, so effizient reagierte sie auf den Angriff der Crills. In Sekundenschnelle flog sie über einen Felsvorsprung.
"Spring ab!" befahl sie Emily leise aber bestimmt, woraufhin das Mädchen sich auf den Vorsprung absetzte.
Sofort setzte Angel zum Angriff an. Viel schneller, als man es ihr je zugetraut hätte,flog sie den heranstürzenden Crills entgegen. Für einen Moment schien die Zeit still zu stehen, dann brachen gleißende Strahlen aus ihrem Schädel hervor, die einen Raubvogel nach dem anderen zerfetzten. Die Zahl dieser Biester schien unermesslich, aber keines vermochte der KI auch nur nahezu kommen. Emily atmete erleichtert auf und blickte herab zum noch viel zu fernen Boden. Doch was sie dort sah, schnürte ihr die Kehle zusammen. Der Crabbot!
Sie hatte "Das Spiel" in der Vergangenheit selbst oft angeschaut und kannte daher viele der möglichen Gefahren, auf die sie treffen konnten. Das war kaum möglich!
Zum einen hatte niemand von Ihnen an dieser Stelle im Level mit einem Overlord gerechnet. Das vor ihnen liegend Tal musste Teil des ersten Levels sein, und erst an dessen Ende hätte ein Endkampf stattfinden dürfen. Vor allem gehörte da in der Regel eine Versorgungsstation zu, die unmittelbar vor dem Hort des jeweiligen Endgegners platziert war, und an der das Team noch einmal rasten und Ausrüstung aufnehmen konnte. Ohne eine solche Vorbereitung war es nahezu unmöglich, einen derart gefährlichen Gegner zu überwinden. Erst recht, wenn die Gruppe – wie im aktuellen Fall – getrennt war.
Zum anderen, und das war um so heftiger, war dies der Crabbot! Das metallene Monster wurde von der Produktionsleitung nur selten eingesetzt. Wenn es denn zum Einsatz kam, dann niemals im ersten Level, und bis dato hatte auch noch kein Kandidatenteam den Kampf gegen diesen Endgegner überlebt! Das hier war keine reguläre Ausgabe von Das Spiel, bei der über einen längeren Zeitraum das Team nach und nach zersetzt werden sollte. Wer auch immer das hier geplant hatte, wollte gleich die totale Vernichtung!
Guardian Angel war in ihrem Element. Sämtliche Synapsen und Schaltkreise liefen zu Höchstform auf, während sie die fliegenden Crills vom Himmel holte. Hierfür war sie geschaffen, das war ihre Existenzgrundlage. Man hatte ihr aufgetragen, Emily zu beschützen, und das würde sie tun!
Blitz um Blitz traf die Biester, die kaum eine Chance hatten, in ihre Nähe zu kommen. Es war leicht – zu leicht! Plötzlich schrillte ihr innerer Alarm. Eine Photonenrakete näherte sich. Guardian Angel wirbelte herum, um dem Geschoss auszuweichen. Da bohrten sich riesige Fänge in ihre Schultern. Ein Crill mit Tarnfunktion? Das war neu.
Als die Ereignisse sich überschlugen, stieg Panik in Emily auf. Ein überdimensionaler Raubadler hatte sich über Angel manifestiert und sie gepackt. Zugleich schoss eine Rakete direkt auf die KI zu, die sie unweigerlich zerfetzen würde! Verzweifelt bündelte Emily ihre Kräfte und schlug zu.
Liam duckte sich unter dem zuckenden Greifarm des Crabbot hinweg. Seine Munition sparte er sich inzwischen, denn die Geschosse prallten wirkungslos an der beschichteten Außenhülle des Monstrums ab. Der Crabbot musste irgendwo eine Schwachstelle haben. Bevor sie die nicht fanden, hatten sie keine Chance, lebend aus dieser Situation hervor zu gehen!
Wild fluchend fegte SIG 37 einen Angreifer nach dem Anderen hinfort. Weder die Drohnen, noch die Crills hätten ihm eigentlich gefährlich werden können. Solche Viecher erledigte er normalerweise im vorbeigehen. Es war die schiere Masse, die ihm zu schaffen machte. Er war darauf ausgelegt, überschaubare, aber gefährliche Gegnergruppen zu jagen und zu vernichten. Darin war er unschlagbar! Die endlosen, kleinen Angriffe dieser verdammten Mistviecher jetzt zehrten jedoch an seinen Energiereserven! Längst kamen die Nanobots in seinem Blut kaum noch nach, die zahlreichen Verletzungen zu heilen, die ihm zugefügt wurden, bevor er deren Urheber zerschmettern konnte.
Eine Woge kinetischer Energie traf die Photonenrakete gute zwanzig Meter von Guardian Angel entfernt. Eine brachiale Detonation folgte, die keinen Zweifel daran ließ, dass das Geschoss die KI bei einem direkten Treffer in Stücke gerissen hätte. Die Explosion erfasste einige Crills im Umfeld, die durch die immense Hitze einfach verglühten. Die anschließende Druckwelle erfasste Angel und den Riesenadler, sowie alle restlichen Crills und schleuderte sie mit voller Wucht fort. Emily selbst wurde gegen die Felswand gedrückt, konnte sich aber gerade noch so festhalten, dass sie nicht von dem Vorsprung fiel, auf dem sie stand.
Ängstlich klammerte sie sich am Gestein fest. Guardian Angel war nirgendwo zu sehen. Weit über sich hörte sie die Kampfgeräusche von SIG 37, der sich unermüdlich gegen seine Angreifer zur Wehr setzte. Unten wogte der ungleiche Kampf des Crabbots mit und Liam und Dasha. Eigentlich war es vielmehr eine Hetzjagd, denn die beiden konnten nichts anderes tun, als dem Monstrum auszuweichen. Früher oder später würden sie ermüden und dann wäre es um sie geschehen.
Emily zwang sich, ruhiger zu atmen. Sie fokussierte ihre inneren Energien. Vorsichtig dehnte sie ihren Geist aus, auf der Suche nach einem Lebenszeichen von Guardian Angel 3970. Selbst eine KI hatte eine Aura, die sich auf telepathischem Wege aufspüren ließ. Emily streckte ihre Fühler in die Richtung aus, in welche die Druckwelle Angel geschleudert hatte, mitten in die Dunstdecke hinein, doch da war nichts. Mochte sie selbst mit ihrer Aktion die Zerstörung der KI forciert haben? Sie wollte und konnte das nicht glauben.
Da fiel ihr etwas anderes ein: Woher war die Rakete gekommen? Sie schaute in die Richtung, aus der das Geschoss heran geflogen war. In der Ferne, oben an der Kante der Felswand, glaubte sie etwas aufblitzen zu sehen. Sie konzentrierte ihre telepathischen Kräfte auf jenen Punkt. Tatsächlich, da waren zwei menschliche Präsenzen! Und sie schienen eine weitere Rakete in eine Abschussvorrichtung einzulegen.
Kurz erschrak das Mädchen. Es war noch nie vorgekommen, dass menschliche Gegner direkt in die Level eingebaut wurden, welche die Kandidaten angriffen. Irgendwer hatte die Regeln für Das Spiel komplett neu definiert und versuchte, das Team um den Sig-Boy mit aller Macht zu vernichten.
‚Na wartet!' dachte Emily. Wut übermannte sie. Brennende Wut! Und diese schickte sie über den Äther, direkt in die Gehirne der beiden Raketenschützen!
Dasha lief der Schweiß am ganzen Körper hinab. Durch ihre Wendigkeit und enorme Sprungkraft konnte sie den Attacken des Crabbot entgehen, aber auch ihre Kräfte schwanden. Einmal mehr duckte sie sich unter der Energieklinge des Overlords hinweg, um anschließend zur Seite abzurollen. Dort, wo sie soeben noch gestanden hatte, wurde der Boden von der Autokanone des Crabbot zersiebt. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie Murphy den Moment nutzte, um in den Rücken des Gegners zu gelangen. Das brachte ihm eine kurze Verschnaufpause, die der junge Mann dringend brauchte. Denn auch wenn er für einen Drughead unheimlich trainiert und taktisch geschult schien, ließen seine Kräfte sichtbar nach. Dasha selbst verfügte durch ihre Mutation über größere Reserven, aber mehr als den Bot abzulenken vermochte sie auch nicht. Sie mussten einen Weg finden, dessen Hülle zu knacken! Sie schaute zu Liam, der Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten. Viel Zeit blieb ihnen nicht mehr.
"Verrecke!" presste SIG 37 zwischen seinen Zähnen hervor, als er den letzten Crill mit seiner Machete zerschmetterte. Die Klinge war mittlerweile merklich abgestumpft, so oft hatte sie in den vergangenen Minuten Fleisch und Metall teilen müssen.
Er versuchte seine Systeme und seinen Puls zu beruhigen, doch das fiel ihm schwer. Ohne nachzudenken griff er sich einen Crill-Kadaver und biss in das rohe Fleisch. Nur so konnte er Energie tanken, um die komplexen technischen und fleischlichen Kreisläufe in seinem Inneren in Betrieb zu halten und die zahllosen Wunden zu versorgen, die ihm zugefügt worden waren. Letzteres taten genau genommen die Nanobots, aber auch diese mussten mit neuen Kraftreserven gespeist werden.
Tatsächlich war der Strom der Angreifer versiegt! Er wollte sich schon hinsetzen, um in Ruhe weiter zu speisen und Kraft zu tanken, da hörte er aus dem Tal das knattern einer Autokanone. Emily... Hoffentlich war der Kleinen nichts passiert! Sofort sprintete der Cyborg zum Abhang...
Unbändiger Zorn brach aus ihr hervor. Zorn auf die Ungerechtigkeit, die ihnen widerfuhr. Wut über die Situation, in der sie sich befand. Hass...
Emily schrie, was ihren kinetischen Schlag nur noch verstärkte. Sauerstoffmoleküle verglühten innerhalb der Bahn, welche die Attacke nahm. Sie traf den Crabbot kurz hinter seiner Kanone und stieß ihn mehrere Meter zurück. Risse machten sich auf seiner Außenhülle breit.
Liam warf sich gerade noch rechtzeitig zu Boden, als der Crabbot über ihn hinweg geschleudert wurde. Seine Glieder brannten, als er versuchte, sich wieder hoch zu stemmen. In diesem Moment stieß der Greifarm auf ihn herab.
"Murphy!" schrie Dasha, als die Klaue nach dem Rotschopf griff. "Nein!"
Sie lief, sprang und warf sich mit ihrem ganzen Körper gegen den Tentakel. Unglaubliche Schmerzen durchschossen ihren Körper beim Aufprall auf das harte Metall. Ihr wurde schwarz vor Augen.
Fassungslos blicke SIG 37 auf die Ereignisse herab. Die Druckwelle der Explosion hatte die Luft so verwirbelt, dass in deren Umkreis die Dunstdecke verschwunden war und den Blick auf den Kampf im Tal freigab. Dasha mochte Liam für den Moment gerettet haben, lag aber nun selbst reglos am Boden. Der Crabbot beachtete die beiden nicht weiter. Stattdessen wendete er sich und richtete seine Autokanone auf die Felswand. Genau auf die Stelle, an der Emily auf einem Vorsprung stand!
Der Cyborg zögerte keine Sekunde. Mit all seiner verbliebenen Kraft sprang er über die Kante und rollte sich so zusammen, dass seine verchromte Körperhälfte als erstes aufkommen würde.
Emily ächzte, als sie den Cyborg an sich vorbei stürzen sah. Sofort schlug ihre Wut in pure Angst um. Das ganze geschah so schnell, dass sie nicht reagieren konnte. Sie versuchte noch, den Sig-Boy telepathisch aufzufangen, doch all das geschah viel zu schnell. Mit einem grausamen Krachen schlug SIG 37 auf dem Crabbot auf, genau an der Stelle, wo sie dessen Hülle zuvor mit ihrer Attacke angeschlagen hatte. Der Aufprall war so gewaltig, dass SIGs Körper den Panzer durchschlug und das darunter liegende Steuerungszentrum des Overlords zerschmetterte. Das Monster bäumte sich auf, sodass der Cyborg leblos zu Boden fiel. Schaltkreise brannten durch und qualmten. Der Crabbot begann unkontrolliert zu zucken, lief plötzlich los und krachte gegen die Felswand, um anschließend einfach in sich zusammenzusinken.
"SIG!" wisperte Emily. Tränen kullerten über ihre Wange, als sie ihren Blick vom qualmenden Overlord abwandte und ihre drei regungslos daliegenden Gefährten sah. Leere machte sich in ihr breit. Als ihr Knie nachgaben und sie vom Vorsprung rutschte, machte sie sich nicht einmal die Mühe, sich irgendwo festzuhalten. Sie stürzte einfach in die Tiefe...
Fortsetzung folgt womöglich...
Veröffentlicht: 11.05.2019